„Menschen mit Behinderung sollen sichtbarer werden“

Software architecture. Lokaljournalismus. Burnout-Prävention. Gewalt und Trauma. Die Themen der Speaker*innen auf speakabled.com sind divers. So divers wie die potenziellen Sprecher*innen selbst. Eines ist ihnen gemeinsam: sie haben eine Behinderung. Und sind damit gar nicht oder nur selten sichtbar – auf der Bühne, im Fernsehen oder allgemein in der Öffentlichkeit. speakabled will das ändern und Expert*innen, Profis und Fachleute mit einer Behinderung eine Plattform bieten.

Im Gespräch mit Speakerinnen.org spricht der Gründer von speakabled Johannes Mairhofer über die Idee, die ersten Schritte und seine Wünsche für die Zukunft.

Johannes Mairhofer
Johannes Mairhofer fotografiert von Sandra Schink

Johannes, warum hast Du die Speaker*innen-Datenbank speakabled gegründet und wer kann sich dort anmelden?

Mich stört schon länger, dass Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit so wenig präsent sind. Und vor allem, dass viele dann wieder „nur“ über ihre Behinderung sprechen „dürfen“. Dabei gibt es viele Menschen mit Behinderung, die Kompetenzen auf den verschiedensten Gebieten haben, ganz außerhalb der Filterblase.

Diese Plattform ist jetzt also der Versuch, mehr Menschen mit Behinderung auf Bühnen (und ins Fernsehen etc.) zu bringen. Und zwar für ihre Kompetenzen, NICHT für ihre Behinderung. Anmelden können sich alle Menschen mit Behinderung, die ihre Fähigkeiten gerne weitergeben und auf den Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs sind oder das sein möchten.

Auch habe ich mich – ähnlich ein bisschen wie Ihr – dagegen entschieden, bei der Registrierung abzufragen, welche Behinderung vorliegt, sondern überlasse dass den Sprecher*innen selbst. Es gibt allerdings ein Feld „besondere Bedürfnisse“, hier kann zum Beispiel der Bedarf nach einer Rampe, einem Ruheraum oder bestimmte Lebensmittelunverträglichkeiten etc. eingetragen werden. Alles ist aber freiwillig und kann auch gern direkt nur mit den Veranstalter*innen besprochen werden.

Woran liegt es, dass Menschen mit einer Behinderung seltener als Speaker*innen angefragt werden?

In erster Linie liegt es bestimmt daran, dass es weniger Menschen mit Behinderungen gibt als Menschen ohne Behinderung. Aber hinzukommt, dass die Berührungsängste der Menschen ohne Behinderung oft groß sind und die Veranstalter*innen daher Menschen mit Behinderung gar nicht erst als Speaker*innen anfragen.

Und das zieht sich dann durch alle Bereiche der Öffentlichkeit: Auch in Filmen, TV, Radio etc. kommen Menschen mit Behinderung seltener vor und wenn, dann meist wie oben erwähnt wieder nur im Zusammenhang mit der Behinderung. Ich kenne nur ganz wenige Beispiele, in denen Menschen mit Behinderung losgelöst von dieser irgendwo sichtbar sind.

Was sind Deine ersten Erfahrungen, seitdem die Plattform im Oktober online gegangen ist?

Die Plattform ist erst seit zehn Tagen online und derzeit auch noch im BETA Status. Das bedeutet, dass sich das ein oder andere auch noch ändern kann.

Besonders freut mich sehr viel positives Feedback, vor allem auf Twitter, als zum Beispiel Anastasia Umrik durch einen Tweet eine ganze Welle an Resonanz losgelöst hat. Besonders die User*innen geben viele positive Rückmeldungen.

Außerdem habe ich erfahren, dass bereits erste Anfragen über die Plattform liefen. So hat etwa eine Veranstalterin der „JS Conference“ über unsere Plattform drei potentielle Sprecher*innen angefragt.

Derzeit sammle ich weiter Feedback und versuche vieles von den Wünschen umzusetzen, um so im Dezember die BETA-Phase zu verlassen. Ich hoffe, dass ich dann erstmal nichts mehr großartig ändern muss – bis eben zur Version 2 ;-).

Bist Du schon im Gespräch mit Eventorganisator*innen, um die Plattform bekannt zu machen?

Ja, ich schreibe immer wieder Konferenzen und Veranstaltungen über deren Twitter-Account an. Wir haben allerdings erst etwas mehr als 20 ausgefüllte Profile, sodass ich erst aktiver werden will, wenn wir die BETA Phase verlassen haben und es bestenfalls noch ein paar mehr Sprecher*innen auf der Plattform gibt.

Welche Unterstützung wünschst Du Dir für das Thema und die Plattform speakabled für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die Plattform bekannter wird und sich noch viel mehr Sprecher*innen eintragen. Der weitere Wunsch ist dann natürlich, dass speakabled von Veranstalter*innen genutzt wird.

In die weitere Zukunft gedacht, sollen Menschen mit Behinderung allgemein sichtbarer werden, sodass es einfach zur Normalität wird, ganz verschiedene Speaker*innen auf der Bühne oder vor der Kamera zu sehen.


Johannes Mairhofer ist Fotograf, Autor und Berater für digitale Themen. Zu seinen Themen ist er deutschlandweit unterwegs und wünscht sich, eine Welt wie sie uns die Fernsehserie FUTURAMA vorlebt, in der die verschiedensten Lebewesen und Lebensformen gemeinsam neben- und miteinander existieren. Weitere Informationen auf seiner Website. Das Interview führte Mandy Schoßig.