„Wir können gesellschaftliche Veränderungen nur gemeinsam in Gang bringen"

Speakerinnen.org im Gespräch mit Robert Franken

Eine europäische Plattform für Perspektiven zu Feminismus, Vielfalt und Gleichstellung der Geschlechter schaffen. Und das öffentliche Bekenntnis, nicht mehr an reinen Männerpodien (all-male panels) teilzunehmen. Mit der Plattform male-feminists-europe.eu und der Aktion #men4equality setzen sich seit Anfang des Jahres Männer sehr offensiv und direkt für mehr Diversity ein. Wir haben mit Robert Franken, einem der beiden Initiatoren gesprochen.

Franken

Robert, was ist das Anliegen von Male Feminists Europe bzw. Eurer Aktion #men4equality?

Die Plattform male-feminists-europe.eu geht auf eine Idee von Henrik Marstal und mir zurück. Henrik ist ein bekannter dänischer Musiker, Politiker, Blogger und Feminist. Wir hatten uns bei einer Konferenz in Hamburg kennengelernt und in Kopenhagen zusammengesetzt. Wir suchten nach einer englischsprachigen digitalen Heimat für bestimmte Blogposts zum Feminismus. Da wir diese nicht gefunden haben, lag es nahe, selbst eine Website aufzusetzen. Ziel ist es, Männern einen intellektuellen Zugang zur feministischen Agenda zu geben. Wir wollen zeigen, dass all das, was im Kontext Feminismus diskutiert wird, eine hohe Relevanz für alle Männer hat. Dabei sind wir selbst Lernende und frei von Dogmatismen.

Die Aktion #men4equality ist hingegen eine zunächst in Deutschland gestartete Initiative, bei der sich etwa 30 Erstunterzeichner verpflichten, nicht mehr auf Veranstaltungen aufzutreten, die reine Männer-Podien oder nur männliche Speaker-Lineups haben. Die Idee stammt von Dirk von Gehlen und von mir.

Warum braucht es aus Eurer Sicht eine solche Initiative, um Frauen dabei zu unterstützen, auf Bühnen und Panels sichtbarer zu machen?

In erster Linie geht es uns noch nicht einmal darum, mehr Frauen auf die Bühne zu bringen. Das ist natürlich sehr in unserem Sinne, aber unsere Argumentation lautet etwas anders: Wir wollen nicht teilnehmen, weil eine Veranstaltung, die auf 50 Prozent des Potenzials verzichtet, qualitativ uninteressant für uns ist. Wir sind also nicht diejenigen, die Frauen „fördern“ (das können die schon selbst), sondern wollen eine qualitative Perspektive in den Diskurs einbringen.

Was ist Deine persönliche Motivation, Dich für den Feminismus einzusetzen?

Ich bin überzeugt davon, dass wir gesellschaftliche Veränderungen nur gemeinsam in Gang bringen können. Ich habe mich aus unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Rollen mit Fragen des Feminismus beschäftigt: als Mann natürlich, aber auch als Arbeitnehmer, als Kollege, als Vorgesetzter, als Geschäftsführer, als Berater, als Partner, als Coach, als Mentor, als Freund, als Vater und vermutlich noch in anderen Kontexten. Gerade durch den Wechsel der Perspektive(n) und durch einen empathischen Zugang zu verschiedenen Bedürfnissen erscheint der Feminismus als eine sinnvolle Orientierungsmöglichkeit.

Wie verändert sich das Thema Feminismus, wenn Männer dafür kämpfen?

Vielleicht wird er selbstverständlicher. Viele der zum Teil heftigen Attacken gegen Feminist_innen und den Feminismus entspringen einer gewissen Angst. Manche Menschen fühlen sich in ihrer unmittelbaren Persönlichkeit bedroht, wenn traditionelle Rollenzuschreibungen und Verhaltensweisen transparent werden und auf Kritik stoßen. Mein Ziel wäre es, dass sich mehr Männer mit der feministischen Agenda jenseits aller Theoriediskussionen auseinandersetzen und ihr eigenes Verhalten und ihre Weltsicht reflektieren. Dann werden sie feststellen, dass sich auch und gerade für sie eine Chance zur Repertoire-Erweiterung bietet. Nicht zuletzt wäre eine breite gesellschaftliche Rückendeckung für die Aktivist_innen wünschenswert.

Nochmal zum Thema "Mehr Frauen auf die Podien": Was erlebt Ihr für Reaktionen auf Eure Initiative – jetzt einige Monate nach dem Start?

Wir erleben vor allem nach wie vor die immer gleichen Reflexe beim Hinweis auf unausgeglichene Speaker-Lineups oder auf reine Männer-Podien: Es gebe nicht genügend Expertinnen, man habe angefragt, aber es wolle keine Expertin sprechen, das Podium spiegele lediglich die Realität in bestimmten Industrien etc. etc. Wir merken aber auch, dass die Sensibilität gegenüber diesem Thema steigt. Immer mehr taggen uns (wie speakerinnen.org oder die Women Speaker Foundation) in ihren Hinweisen auf entsprechende Events.

Habt Ihr schon einmal eine Veranstaltungsteilnahme abgesagt und wenn ja, wie reagieren Event-Organisatoren darauf?

Viele der Erstunterzeichner haben das bereits getan, ja. Zunächst mag die Reaktion von Unverständnis geprägt sein, aber je häufiger das passiert, desto größer ist die Chance, dass dadurch auch ein Umdenken auf der Seite der Organisator_innen eingeleitet wird. Ich habe zuletzt einen bereits geschriebenen Beitrag zu einem Schwerpunktthema zurückgezogen: Er wird erst dann veröffentlicht werden, wenn sich mindestens auch eine Frau zum Thema geäußert hat. Zudem weise ich bei Anfragen immer darauf hin, wie wichtig eine Balance bei den Beitragenden ist. Damit geht auch einher, dass ich mitunter anbiete meinen Speaker-Platz für eine Frau zu räumen. Man darf aber nicht vergessen, dass es die Organisator_innen manchmal wirklich schwer haben für Ausgeglichenheit zu sorgen. Aber es ist eben nicht unmöglich.

Und: Was bedeutet es für Euch persönlich dann ggf. auch einmal nicht bei einer Veranstaltung sprechen zu können?

Das ist natürlich nie schön und häufig mit finanziellen Einbußen verbunden. Aber ohne Einschränkungen wäre es ein unglaubwürdiger Kampf um Balance. Daher brauchen wir noch breitere Unterstützung und mehr Sensibilität für das Thema.

Was ist der Mehrwert für alle, wenn das Genderverhältnis auf der Bühne ausgeglichen ist?

Ganz einfach: Es gibt mehr Perspektiven auf das Thema, vielfältigere Erfahrungsräume, unterschiedliche Kommunikationsarten und vieles mehr. Kurz: Es geht um Vielfalt. Dass es sich darüber hinaus auch schlicht gehört, dass nicht nur eine Gruppe vertreten ist, soll nicht unerwähnt bleiben. Und da sind wir bei einem ganz anderen Thema: 50 Prozent Frauen als Ziel auf einer Bühne ersetzt nicht die Frage nach Diversity insgesamt. Denn Gender ist nur ein kleiner Schritt, Vielfalt manifestiert sich in ganz anderen Parametern. Hier haben wir noch viel Aufholbedarf.


Robert Franken berät Unternehmen und Menschen zu Digital Transformation, Diversity und organisationalem Wandel. Der Experte für Digital Business und New Work war unter anderem Geschäftsführer von urbia.de und chefkoch.de. Robert Franken publiziert regelmäßig zu Themen wie Digital Leadership, Gender Empathy oder Arbeit 4.0. Er ist ein Keynote Speaker und Moderator. Sein Blog heißt „Digitale Tanzformation", sein Twitter-Handle lautet „herrfranken". Er ist Beirat von PANDA, der Competition für weibliche Führungskräfte, sowie beim Berliner Food-Startup Kitchen Stories. Zuletzt hat er die Plattform „Male Feminist Europe" gegründet".