„Webseiten von Menschen für Menschen“

Seit dem Frauentag 2020 gibt es auf Speakerinnen.org viele neue Funktionalitäten, Rubriken und ein neues Design der Startseite. Entwickelt hat all das Salit Krac, eine Produkt- und Web-UX-Designerin aus Berlin. Ihr beruflicher Weg führte sie vom Grafikdesign hin zum Produktdesign und wir haben mit Salit darüber gesprochen, welche Gedanken sie bei den neuen Features auf Speakerinnen.org hatte und welchen Weg sie von der Ideenfindung bis zur Umsetzung gegangen ist.

Eine englische Version des Interviews kannst Du hier lesen // please finde an English version of the interview here.

Salit Krac
Salit Krac

Salit, Du hast Speakerinnen.org einige Neuerungen "verordnet" – was sind die wichtigsten neuen Features der Website?

Die wichtigste Funktion, die meiner Meinung nach auch die größte Herausforderung in diesem Projekt war, war die Gestaltung des neuen Filtersystems. Es soll Veranstalter*innen ermöglichen, Referentinnen nach genau ihren Vorstellungen und dabei möglichst einfach und nutzerfreundlich zu finden.

Jemand, der in einer reinen „Frauendatenbank“ nach einer professionellen Rednerin sucht, hat ein gewisses Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, dass Frauen auf den Bühnen und Podien präsent sind. Wir wollen dieses Bewusstsein belohnen, indem wir eine Plattform anbieten, auf der Rednerinnen auf schnelle und angenehme Weise gefunden werden können.

UX heißt ja User Experience – das heißt, Du denkst immer von der Nutzer*in her? Was heißt das genau?

Ein*e erfahrene*r Designer*in oder Produktdesigner*in ist dafür verantwortlich, dass sich das Design einer Website immer um den Menschen, die User*in, dreht. Das mag offensichtlich klingen, da solche Projekte ja von Menschen für Menschen gemacht werden – wie können wir da also überhaupt etwas falsch machen?

Doch leider gehen die Ziele und Bedürfnisse der Benutzer*innen manchmal im Prozess der Produktgestaltung verloren. Selbst in einem Team, das die Bedürfnisse der User*innen im Auge hat, liegt das Hauptaugenmerk häufig auf der Technik. Und das soll auch erst einmal so sein. An dieser Stelle kommt die Produktdesigner*in ins Spiel, die in so einem Team die Aufgabe hat, sich um die nutzerseitigen Elemente zu kümmern, sie an realen Benutzer*innen zu testen, Feedback zu sammeln und diese Daten für ein besseres Designs zu verwenden.

Und hier liegt auch der Unterschied zwischen Produktdesign und Web- bzw. Grafikdesign: Aus der ersten Perspektive bedeutet ein besseres Design nicht ein schöner aussehendes, sondern eines, das es Benutzer*innen ermöglicht, das Produkt einfacher und angenehmer zu benutzen.

Wie gehst Du vor, wenn Du neue Ideen für eine Website entwickelst? Was sind Deine ersten Gedanken?

Ein Gestaltungsprozess ist grundlegend verschieden, wenn die Website oder das Produkt völlig neu ist und wir bei null anfangen, oder wenn es bereits seit einiger Zeit online bzw. auf dem Markt ist und eine bestehende Anzahl von Nutzer*innen hat. Letzteres war der Fall bei Speakerinnen.org – ich bin zum Team dazugekommen, als die Datenbank bereits einige Jahre genutzt wurde. Wir haben aber gemerkt, dass wir Dinge verbessern können. Unser erster Schritt für Veränderungen war, die sogenannte User Experience, also das Erlebnis beim Benutzen der Website, für die Konferenzveranstalter*innen zu verbessern.

Wichtig war zu Beginn, diese Benutzergruppe und ihre Wünsche besser zu verstehen, wenn sie eine Sprecherin für ihre Konferenz suchen. Also: Wie gehen sie an diese Aufgabe heran, was sind ihre Schmerzpunkte? Wir haben Einzelgespräche mit Eventorganisator*innen geführt und zusätzlich Fragebögen verschickt, um noch mehr von ihnen zu erreichen.

Als ich begann, das Design von Speakerinnen.org zu überarbeiten, war es wichtig, bestehende Schnittstellen und Funktionen zu berücksichtigen, um keine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Programmiererinnen zu schaffen. Nachdem ich das Design mit dem Team gemeinsam angeschaut und Kommentare und Anmerkungen eingearbeitet hatte, begann die Testphase. Wir haben Benutzer*innen eingeladen, die Website durchzugehen und bestimmte „Aufgaben“ für die Benutzung durchzuspielen. Danach hatte ich ein klareres Verständnis dafür, wo wir richtig lagen mit den Änderungen und was noch weiter verbessert werden kann. Das ist ein sehr iterativer Prozess, quasi eine Entwicklung in mehreren Schleifen, um das Design schließlich bestmöglich zu gestalten.

Nicht zuletzt mussten wir natürlich immer prüfen: Was ist besonders wichtig und was können in diesem ehrenamtlichen Projekt überhaupt leisten, was soll jetzt und was möglicherweise später umgesetzt werden?

Und wie geht es dann weiter, bis die Ideen umgesetzt sind?

Als Produktdesignerin, die nicht nur die User Experience sondern auch die Umsetzung im Blick hat, habe ich mich dann um das User Interface Design (UI) gekümmert.

Was heißt das genau?

In erster Linie geht es hier um das Aussehen einer Seite: Farben, Schatten, Schriftarten, visuelle Elemente. Und dann sollte als nächstes natürlich der Blick auf die zweite Benutzergruppe gerichtet werden – die der Speakerinnen selbst. Die Experinnen, die sich auf der Website registrieren, haben ganz andere Anforderungen an die Benutzung der Seite und so beginnt der Prozess von neuem.

Wie hast Du im gesamten Prozess mit dem Speakerinnen-Team zusammengearbeitet?

Das Team war in jeden Schritt des Designprozesses einbezogen. Das heißt, ich achte darauf, dass ich meine Ideen und Skizzen aus dem Entwicklungsprozess mit anderen teilen kann. Mir hat es sehr gut gefallen, das Team eng in den Prozess einzubinden. Denn es gab viele gute Vorschläge und Ideen aus dem Team, die mir vielleicht so nicht in den Sinn gekommen wären. Im Vergleich zu anderen Teams, mit denen ich zusammengearbeitet habe, hat das Speakerinnen-Team einen, so könnte man sagen, hohen Grad an „UX-Reife“.

Welche Ideen hattet Ihr noch, die jetzt nicht umgesetzt wurden... aber vielleicht in der Zukunft?

Ich finde: Eine Referentin auf Speakerinnen.org zu finden oder anzufragen, sollte so einfach sein wie Online-Shopping auf den trendigsten und intuitivsten Websites und sollte alle Vorteile haben, die wir aus der Welt des E-Commerce kennen. Schön wären also noch: das „Merken“ von Speakerinnen durch Hinzufügen zu eigenen Favoriten. Eine Art Empfehlungssystem (wir wollen dabei keine Bewertung von einzelnen Speakerinnen, aber möglicherweise ein anderes System). Aber auch einfache Funktionen wie die Anzeige der letzten Online-Aktivitäten oder die Anzeige, wie lange eine Speakerin normalerweise für eine Antwort braucht, wären toll.

Wir können noch viel tun, um das Vertrauen in die Plattform zu steigern. Speakerinnen.org ist für mich (und uns) eine Website, die zuverlässig und vertrauenswürdig für die Ansprache von weiblichen Konferenzsprecherinnen, Moderatorinnen etc. genutzt werden kann. Ihre Kompetenzen durch die Website herauszustreichen, ist meine eigentliche Herausforderung.


Salit Krac ist Produktdesignerin und forscht zum Nutzungsverhalten von Menschen. Sie arbeitet in Berlin.

Das Interview führte Mandy Schoßig.