"Speakerinnen goes Voarlberg"
Gemeinsam Frauen sichtbar machen – das ist das erklärte Ziel von Speakerinnen.org und einer Gruppe engagierter Frauen aus Vorarlberg, dem westlichsten Bundesland unseres südlichen Nachbarlandes. Das österreichische Projektteam rund um Ruth Swoboda, Bettina Steindl, Andrea Spieth und Brigitta Soraperra hat eine einzigartige Kooperation mit uns aufgegleist: Unter vorarlberg.speakerinnen.org können sich seit heute Expertinnen, Rednerinnen und Fachfrauen aus allen Branchen eintragen und so von Veranstalter*innen sowohl auf der regionalen Seite für Vorarlberg als auch auf Speakerinnen.org gefunden werden.
Wir haben mit Brigitta Soraperra darüber gesprochen, wie es zu dieser Kooperation kam, wie aus der Idee Wirklichkeit wurde und was die Vorarlberger Frauen in Sachen Sichtbarkeit noch vorhaben.
Brigitta Soraperra fotografiert von Dietmar Mathis
Die Idee für das Vorarlberger Frauennetzwerk entstand im letzten Jahr und nur 9 Monate später geht vorarlberg.speakerinnen.org online. Wie kam es dazu?
Den Ausschlag bildete das eine Tröpfchen zu viel, welches das Fass zum Überlaufen brachte. Im Herbst 2020 startete das größte Medienhaus in Vorarlberg ein tägliches Nachrichtenformat im Internet. Als nach acht Sendungen immer noch keine einzige Frau dort zu sehen war – weder als Moderatorin noch als Studiogast – verschickte Lea Putz-Erath, die Geschäftsführerin von femail, einer wichtigen Fraueninformationsstelle im Land Vorarlberg, eine empörte E-Mail über ihren persönlichen Adressverteiler.
Diese trug den schönen Titel „Grrr“ und enthielt den Aufruf, dass hier geballte Gleichstellungspower gefragt wäre, um dieser nicht zum ersten Mal wahrgenommenen Nichtbeachtung von Frauen und weiblicher Kompetenz im Land etwas entgegenzusetzen. Diese Mail wurde mehrfach weitergeleitet und es bildete sich sehr schnell ein Netzwerk von circa 40 Frauen, die sich verschiedene Aktionen und Projekte überlegten, um die vorhandene Expertinnenkompetenz in Vorarlberg sichtbar(er) zu machen.
Eines dieser Projekte bildete die Realisierung einer Expertinnendatenbank, weil von Veranstaltern immer wieder das Argument kommt, dass sie leider keine Frau gefunden haben. Dem wollten wir ein für alle Mal Abhilfe verschaffen.
Wer steht hinter der Initiative? Und wie habt Ihr Euch gefunden?
In der großen Gruppe sind es viele verschiedene Frauen aus den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen, von der Intermedia-Studentin über die Bildungsmanagerin bis zur Museumsdirektorin. Auch Genderbeauftragte, Sozialwissenschaftlerinnen, Juristinnen und einige Organisationsentwicklerinnen sind dabei. Gefunden haben wir uns über Leas Initiative und viele haben auch noch weitere Frauen aus ihrem eigenen Umfeld dazu eingeladen.
Das Projektteam für die Expertinnendatenbank besteht aus Ruth Swoboda, Biologin und Direktorin der inatura Erlebnis Naturschau in Dornbirn, Bettina Steindl, Kulturmanagerin und Geschäftsführerin des neuen CampusVäre – Creative Institute Vorarlberg, Andrea Spieth, Unternehmensberaterin bei Trigon und mir, freie Kulturarbeiterin. Diese Viererkonstellation hat sich ergeben, weil wir uns aus anderen Zusammenhängen schon kannten und Lust hatten, miteinander etwas Handfestes umzusetzen.
Statt eine völlig neue Seite aufzubauen, habt Ihr Euch an das Team von Speakerinen.org gewendet. Wie kam es dazu?
Wir haben zuerst für uns formuliert, welche Anforderungen und Wünsche wir an eine Datenbank hätten. Da kam einiges zusammen. Unser Engagement ist ehrenamtlich und wir haben schnell gemerkt, dass es für uns unrealistisch ist, eine eigene Homepage aufzubauen und zu betreuen. Da wir aber alle vernetzt denken und gerne in Kooperationen arbeiten, hatten wir die Idee, uns irgendwo anzuschließen, zumal es auch für die Nutzerinnen und Nutzer angenehmer ist, wenn es nicht zu viele verschiedenen Portale gibt. Wir haben dann die uns bekannten Seiten nochmals überprüft und Speakerinnen.org hat uns einfach am besten gefallen, vom Aufbau, der Handhabung, der Erscheinung her.
Außerdem finden wir es toll, dass diese Seite international ausgerichtet ist und bereits so viele spannende Frauen registriert sind. Wenn also für eine bestimmte Expertise keine Vorarlbergerin zur Verfügung steht, können dort zahlreiche andere Expertinnen gefunden werden. Deshalb haben wir mit Euch Kontakt aufgenommen und uns sehr gefreut, dass Ihr Euch auf eine Kooperation eingelassen habt.
Was war für Euch hilfreich, damit aus der Idee von vor einem Jahr Wirklichkeit werden konnte?
Besonders hilfreich waren Eure sehr konkreten Vorschläge, wie die Vorarlberger Expertinnen sichtbar gemacht werden können. Also die Idee mit der eigenen Unterseite vorarlberg.speakerinnen.org oder der Themenschwerpunkt auf der Hauptseite im Zuge des Launches. Auch die unkomplizierte Zusammenarbeit war und ist eine große Freude. Und dass wir vom Land Vorarlberg, namentlich vom „Funktionsbereich für Frauen und Gleichstellung“ und von der Marke Vorarlberg finanzielle Unterstützung bekommen haben, um unsere Designerin und Eure Programmierarbeit zu bezahlen.
Welchen Herausforderungen seid Ihr unterwegs begegnet und wie seid Ihr damit umgegangen?
Die Herausforderung lag und liegt vor allem in unseren persönlichen Ressourcen. Wir sind alle beruflich sehr engagierte Frauen, die mit Begeisterung tun, was sie tun. Da war es toll, dass wir als Team funktionieren und die anfallenden Aufgaben aufteilen konnten. Außerdem haben wir mit Marcella Merholz eine ganz wunderbare Gestalterin gefunden, die unsere zum Teil unstrukturierte Arbeitsweise gut gebündelt hat. Was nach wie vor eine Herausforderung darstellt, ist, die Frauen zu motivieren sich einzutragen. Es ist erstaunlich, wie viele kompetente Frauen hierzulande zögern, sich als Expertin zu sehen. Da müssen wir noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.
Die Webplattform ist nur eine von Euern Aktivitäten – was habt Ihr noch in Vorarlberg initiiert?
Im großen Netzwerk sind wir mit sehr viel Engagement gestartet und es gab einige tolle Ideen, die aber aus verschiedenen Gründen bisher noch nicht alle realisiert werden konnten. Was aber ein richtiges Erfolgsmodell ist, ist der #Xipertinnen-Account auf Instagram, mit dem Angelika Becker seit über einem dreiviertel Jahr wöchentlich tolle Frauen vorstellt. Und wir haben im Dezember in einer wichtigen Wirtschaftszeitung einen Themenschwerpunkt „Expertinnensichtbarkeit“ samt Titelseite realisieren können.
In diesem Jahr sind Veranstaltungen geplant, die junge Frauen an das Thema „Feminismus“ heranführen wollen. Auch ein unkonventionelles Talkshowformat und ein Podcast sind noch in der Pipeline. Ganz wichtig wurde auch der Mailverteiler, bei dem laufend neue Frauen dazu kommen. Er wird mittlerweile rege zum Netzwerken und Infoaustausch genutzt.
Wie pflegt Ihr Euer Netzwerk in Zeiten der Pandemie?
Das Netzwerk wurde ja Ende 2020 im zweiten Lockdown gegründet, das heißt, wir haben nahezu alle Großgruppen-Treffen online durchgeführt. Deshalb sind wir mittlerweile ganz gut darin, Ideen digital miteinander zu entwickeln und das Netzwerk zu pflegen. Als aber im Herbst 2021 endlich ein reales Treffen stattgefunden hat, haben wir gemerkt, dass diese Begegnung enorm wichtig war, um das Feuer aufrecht zu halten und uns gegenseitig zu bestärken. Wir werden also weiterhin eine Mischung zwischen digital und analog verfolgen, und via Mailverteiler aktuelle News austauschen.
Und zum Schluss: Was könnt Ihr anderen Frauennetzwerken mit auf den Weg geben?
Es ist höchste Zeit, dass Frauen medial sichtbar sind und als gleichberechtigte Partnerinnen und Ansprechpersonen in allen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaft, etc. wahrgenommen werden. Da wir nach wie vor in einer männlich dominierten Kultur leben, lohnt es sich, wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen, fördern, Mut machen, voneinander lernen und Erfolge miteinander feiern.
Brigitta Soraperra ist freischaffende Regisseurin, Kulturvermittlerin und Projektleiterin – unter anderem der Wexelstube – Raum für Begeisterung und der IG Geburtskultur a-z. Zuletzt war sie im Kuratorinnenteam der großen Jubiläumsausstellung „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ im Frauenmuseum Hittisau und organisierte dazu ein interdisziplinäres Rahmenprogramm.
Das Interview führte Mandy Schoßig.